Mitte September fuhr ich mit meinem Rad gegen 22:00 Uhr in einer klaren Mondnacht von Erfurt nach Weimar - auf der B7 die nach Linderbach etwa 4 km autobahnähnlich ausgebaut ist. Dort passierte es zwei mal kurz hintereinander, dass Autofahrer sich mir mit einer Geschwindigkeit im Bereich von 100 km/h näherten, erst etwa 50 m hinter mir eine Gefahrenbremsung einleiteten und nach links auswichen, während ich parallel dazu auch das Manöver des vorletzten Augenblicks, Ausweichen nach rechts, einleitete. Als dann noch ein LKW-Fahrer auch erst sehr spät auf meine Anwesenheit auf der Fahrbahn reagierte, kam ich ins Grübeln, den die Autofahrer reagierten immer erst, wenn meine Konturen im Abblendlicht erkennbar wurden, also etwa 40-50 m hinter mir.
Abgesehen davon, dass die Autofahrer mit ihren ca. 100 km/h bei Abblendlicht das Sichtfahrgebot mißachteten, gab es mir zu denken, dass sie auch mein Rücklicht nicht in der gewünschten Form wahrnahmen und reagierten. Das Rücklicht gehörte mit Kaufdatum in 1998 immerhin zu den besten und hellsten die es für Fahrräder gab.
Ein paar Kilometer weiter, auf einer Kreisstraße, hielt ich an. Ich lies das Licht eingeschaltet und lief etwa 300 m achteraus und wieder zurück. Dabei guckte ich mir das Rad von hinten an.
Und was sah ich? Das Rücklicht, klein und punktförmig, aber dafür ganz schön hell.
Während ich aber auf das Rad zulief, veränderte sich das Licht nicht, es war immer ein kleiner greller roter Punkt. Erst etwa 20-30 m hinter dem Rad wurden Konturen von Lichtaustrittsöffnung und Rad vor dem dunklen Hintergrund der ansteigenden Straße sichtbar.
Auf dem Rest des Weges dachte ich nach, über die Frage:
Thesen:
Bezogen auf die Beleuchtungseinrichtungen an Fahrrädern werden Mängel offensichtlich:
Im Vergleich: moderne KFZ-Rücklichter sind ausgedehnt, die Größe geht bei 10 cm x 8 cm los [b]. Sie verändern allerdings ihre Intensität mit der Entfernung auch nur wenig, bieten aber dafür die Möglichkeit über ihre Größe, und wenn die Beleuchtungseinrichtungen in Ordnung sind, den Abstand von 2 dieser Leuchten [b1] die Entfernung abzuschätzen. Es gibt die Rotlichtschleppe auf der Fahrbahn [h] und oft werden auch noch Konturen beleuchtet [c]. Und auch die Beleuchtungsstärke vor dem Fahrzeug ist durch das Abblendlicht oft groß genug, die Konturen des Fahrzeugs erkennen zu lassen.
Das Auge sieht nur ein einem kleinen Bereich von etwa 2°
scharf.
Deshalb focussiert das Auge immer andere Bereiche im Sehfeld und unser
Gehirn setzt diese Einzelbilder (2-5 pro Sekunde) zu einem Gesamtbild
zusammen.
In diesem 2° Bereich erreicht ein junges gesundes Auge eine Auflösung von
etwa
40 Linien/cm
bei hell beleuchteten Strichen in 5 m Entfernung.
Das entspricht etwa 0,05 mm auf 1 m.
Ich erreiche diese Auflösungen nicht (mehr). Ein Test mit
schwarzweißen Liniengrafiken
am hochwertigen, digital angesteuerten Bildschirm bei winterlich grauem
Wetter
in mäßig beleuchteter Umgebung zeigt, dass ich etwa 20 Linien/cm bei
1 m
auflösen kann (neue Brille?). Das sind 0,5 mm auf 1 m,
5 mm
auf 10 m oder 5 cm auf 100 m.
Eckert [ Eckert93] recherchierte noch weitere Aspekte des Sehschärfe:
Das heist auch hier, die Ausdehnung einer 5 mm Leuchtdiode ist bei Dämmerung nur bis etwa 10 m Entfernung überhaupt wahrzunehmen, bei Dunkelheit wird die Entfernung noch kleiner.
Um eine Entfernungsabschätzung über die Ausdehnung einer Leuchte zu gewährleisten, sollte die Größe der leuchtenden Fläche zumindest in einer Ausdehnung ein entfernungsabhängiges Mindestmaß nicht unterschreiten, etwa 1/1000 der Entfernung. Ein sinnvolles Maß für die Bemessungsentfernung ergibt sich aus Überlegungen zu Geschwindigkeitsniveaus, Reaktionszeiten und Anhaltewegen, 100 m für Landstraßen sind ein Anhaltspunkt.
Die Autofahrer haben mein Rücklicht aufgrund von Größe, Geschwindigkeit und Intensität als viel weiter entfernt eingeschätzt als ich war. Auch als sie sich mir näherten, veränderte ich die Größe der Leuchtfläche nicht und auch die Helligkeit nahm nicht wahrnehmbar zu. Ein Beleuchtungsfleck auf der Fahrbahn wurde nicht sichtbar und die Konturen vor einem von Scheinwerfern beleuchteten Hintergrund ebenfalls nicht. Hinzu kommt, dass das DToplightPlus nach schräg oben auch nur wenig Licht emmitiert, dehalb ist es in der Nähe von höheren Sitzpositionen, z.B. LKW, auch nur schwer sichtbar.
Wahrscheinlich haben die Autofahrer, aufgrund Ihrer Wahrnehmungserfahrung,
den roten
Lichtpunkt wegen der Intensität, Größe und mangelnden Helligkeitsänderung für
ein
sehr viel weiter entferntes KFZ-Rücklicht gehalten. Vieleicht auch, weil sie
zu
selten Zweiradfahrer auf 4-streifigen autobahnähnlich ausgebauten Straßen
sahen.
Das Letztere ist ein verkehrskulturelles Problem, welches sich mit der
Steigerung
des Radverkehrs lösen wird. Das erstere ist durch die Konstruktion der
rückwertigen
Beleuchtungseinrichtungen vermeidbar.
Ulli Horlacher hat, aufgrund ähnlicher Erlebnisse, neben seinem DToplightPlus zwei rote OSRAM SSL LEDs mit Cree Optiken montiert die ein stark gebündeltes rotes Licht mit wahlweise abgeben. Tagsüber betreibt er sie mit je 300mA, nachts mit 60mA. Im 10° Abstrahlbereich zur Längsachse sind sie etwa so hell sind wie KFZ Nebelschlußleuchten. ( http://tandem-fahren.de/Mitglieder/Framstag/LED/RRR/).
Hanno Hirsch, ein kreatives Urgestein der HPV Szene schreibt: "zum
Gesehenwerden
ist weniger die Leuchtstärke, als die Leuchtfläche entscheidend, viel
leuchtende
Fläche = viel Aufmerksamkeit".
Er hat ebenfalls ein flächig strahlendes Rücklicht gebaut, aus einem
Reflektor
.
Ich wollte keine zusätzlichen Leuchten hinten, keine Blendgranaten und auch die These der Leuchtfläche verifizieren.
Vorn hatte ich schon im Frühjahr 2007 die Mueller ( http://tandem-fahren.de/Mitglieder/Framstag/LED/Mueller/) aktiviert - auch eine Idee von Ulli: weiße effiziente Hochleistungs LED (Seoul P4) in Mobdar Optiken schaffen endlich das Licht am Rad, mit dem man auch sehen kann - etwa das 5-20 fache von üblichen Halogenscheinwerfern bei etwa gleicher Leistungsaufnahme.
Vorgebilded durch Olaf Schultzs Fahradbeleuchtungs-Referenzwerk, die
Gebetsmuehle
[G10e], war die Idee, den Reflektor von hinten mit effizienten
lichtstarken roten LED zu beleuchten schnell geboren - und wurde schon
gelegentlich
im usenet (
de.rec.fahrad), der erwähnten
Mailingliste
rad-licht@tandem-fahren.de
oder auf der
hpv
Mailingliste
andiskutiert....
...ausnahmweise mal nicht lange drüber grübelnd, schritt ich zur Tat.
Bei LED-Tech, ein von den Mitgliedern der Rad-Licht-Bastler gern genutzte Quelle extremer LED-Technik kaufte ich 4 CREE XR 7900 in rot - ca. 50 Lumen bei ca. 2 V / 350 mA, also rund 70 Lumen/Watt.
Ich wollte die LED im Rahmen üblicher Rücklichtleistungen betreiben, also
max. die
Standard 0,6 W, 6 V / 100 mA. Nach ein
paar
Tests und zwei Gläsern Met war klar, 20 mA reichen an Strom, an den
LED
fallen dabei 1,85 V ab. Im Dauerbetrieb geht das sogar ohne Kühlüng.
Mit
Kühlung ginge deutlich mehr, die Option für ein Bremslicht drängte sich
geradezu
auf.
Schaltungstechnischer Entwurf: 2 Stränge aus 2 LEDs in
Reihe mit
einem 100 Ω Widerstand an meinem 6 V Bleigelakku.
Zusammen
mit den 15 mA der original LED sind das 61 mA an Gesamtstrom
für
das Rücklicht (bei etwa 6,3 V Akkuspannung).
Der Goldcap, normalerweise für das Standlicht zuständig, ist bei
Akkubetrieb überflüssig
und flog schon vor Jahren raus.
Gespannt war ich auf die Durchlasseigenschaften des Reflektors. Mit meiner kleinen Bohrmaschine (Proxxon aus den '80ern) und einem Kreissägeblatt, sägte ich die Lichtaustritte in die schwarze Innenkappe des Reflektors. Die oberen LEDs erhielten ein Alukühlblech, um zumindest kurzzeitig die Wärme auch höherer Ströme abführen zu können, falls sie als Bremslicht genutzt werden. Kabel und Serienwiderstände 100 Ω angelötet, LEDs mit Epoxid-Kleber Freihand geklebt, zusammengelötet und Test. Funktioniert.
Die Lichtaustrittsöffnungen zeichnen sich deutlich ab, also müssen sie so groß wie möglich sein. Dann fällt auf, dass die Helligkeit von schräg, also so ungefähr 45°, größer ist, als direkt von hinten. Das liegt an der Struktur des Reflektors, ..., geholfen hat, die Spitzen der Polyeder an der Innenseite leicht anzuschleifen und zu polieren. Das erhöht die Duchlässigkeit nach hinten unter Inkaufnahme einer geringen Verschlechterung der Reflexionseigenschaften.
Das gesamte Rücklicht ist jetzt hell erleuchtet und von allen Seiten gut wahrnehmbar - der erste Test während einer sonntäglichen 7 h Nachtfahrt von Bad Königshofen (eigentlich Würzburg, aber dort war es noch hell) bis Weimar ergab keine Situation wie oben, ausserdem hatte ich den Eindruck, dass die Folgenden öfter und früher das Fernlicht abschalteten.
Der Versuch anhand von Photos die Sichtbarkeit zu vergleichen.
Das K~~ Zeugs ist natürlich weggeschliffen, weil das
KBA das Rücklicht *so* nicht
geprüft hat.
(Ein Klick auf die Bilder öffnet das größere Original).
Busch und Müller hat im Sommer 2009 ein Rücklicht 'Toplight ® Line plus' herausgebracht, in der das Licht einer LED über eine moderne Kunstofflinse auf eine Abstrahlfläche von etwa 10 cm Breite und 5 mm Höhe abgegeben wird. ( http://www.bumm.de/innovationoriginal/linetec.html).
Andere Firmen ziehen nach und bauen Rücklichter mit mehreren LED, die über die Leuchtfläche verteilt sind, oder das Licht einer LED durch Reflektoren oder Optiken auffächern.
Ich habe nichts dagegen, wenn dieses Gedanken zur Gestaltung von
Rücklichtern aufgegriffen
und auch kommerziell zur Gestaltung sinnvollere Rücklichter genutzt werden.
Ich würde mich aber darüber freuen, wenn weitergehende Erkenntnisse
und Entwicklungen
auch online Verfügbar gemacht werden und verlinke dann auch gern auf diese
Seiten:
D-Toplight
XS gepimpt